Die sanfte Revolution – Meine Begegnung mit Pussy Riot Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa

Es ist gerade Lit. Cologne und eine super Gelegenheit ein spontanes Künstlerdate (LINK) zu machen und eine Runde Inspiration zu tanken.

Also bin ich hin (obwohl die Veranstaltung eigentlich schon ausverkauft war) und hatte Glück noch eine übriggebliebene Karte zu ergattern und aus Nadeschda Tolokonnikowas neuem Buch „Eine Anleitung für eine Revolution“ zu lauschen.

Im Namen der Hoffnung

Die Pussy Riot Sängerin wurde am 7.11.1989 geboren und ihr Vorname bedeutet Hoffnung. Ihr Vater nannte Nadja so weil es die Zeit der russischen Perestroika war und er große Hoffnung auf eine demokratische Veränderung des Landes hatte. Leider wurde diese Hoffnung nicht erfüllt. In den 90ern brach in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion das Chaos aus und der Staat unter Putin wurde immer korrupter und immer weniger gerecht. Nadjas Geburtstag fiel auf einen Feiertag. Denn am 7.11 wurde in der UdSSR immer der Tag der Revolution feiert. Doch irgendwann wurde dieser Tag von Putin einfach abgeschafft, da er schon alleine vor diesem Wort große Angst hat.

Eine Philosophie Studentin wird politische Punk Aktivistin

Nadja begann nach der Schule Philosophie zu studieren und sie sagt, so blieb ihr nichts anderes übrig, als ihren Kopf zu gebrauchen. Die meisten Menschen in Russland gehen wegen der politischen Resignation oder auch aus Angst in die „nach innen gekehrte“ und „stille Revolution“. Doch das kam für Nadja nicht in Frage. Sie wollte was ändern. Also ging sie zu Demonstrationen protestierte und spontan wurde die politische Punk Band Pussy Riot gegründet.

„Man muss bereit sein sich selbst zu opfern“

Große Taten, große Kunst, große Liebe – alles benötigt Opfer. „Man muss bereit sein sich selbst zu opfern“, sagt Nadja und erzählt warum es überhaupt dazu kam, dass sie verurteilt und ins Arbeitslager geschickt worden ist. Die russisch orthodoxe Kirche kritisierte zunehmend öffentlich die Gleichberechtigung. Für Feminismus würde die russische Gesellschaft noch nicht bereit sein. Und, wenn eine Frau vergewaltigt werden würde, so sei sie selber schuld, dass sie sich so kleide. Als die Kirche auch noch anfing gegen Demonstrationen zu wittern und sagte die Bürger sollten lieber Putin wählen und ruhig zu Hause sitzen und beten – war das Maß voll. Und Pussy Riot starteten eine Aktion gegen die konservative, korrupte und politisch beeinflusste orthodoxe Kirche. Das Opfer war groß: Zwei Jahre Arbeitslager. Doch Nadja sagt es sei gut fürs Erwachsenwerden gewesen und für ihre persönliche Entwicklung.

Ihre Zeit im Gefängnis

600.000 Menschen sitzen in Russland im Gefängnis oder in der sogenannten Zone, was einem Arbeitslager gleicht. Diese gibt es seit der Zeit von Stalin und sie werden auch in seiner Tradition unter Putin fortgeführt. Die Insassen haben keinerlei Rechte. Dort arbeiten sie ca. 14 Stunden am Tag, egal in welcher körperlichen Verfassung sie sind. Nadja nähte dort u.a. Polizeiuniformen. Sie berichtet, über ihrem Gitterfenster war ein Vogelnest und unten lagen oft tote Mauersegler-Küken auf dem Boden. Auch die Menschen mit denen sie gesessen hat, starben nach und nach, weil sie die grausamen Bedingungen nicht aushielten. Nur ein sehr gesunder und kräftiger Mensch, kann der immensen körperlichen Belastung standhalten. Es gibt auch keinerlei medizinische Versorgung und die Gefängniswärter strafen die Insassen, wie in Zeiten der Sowjetunion auf eine sadistische Art. Nadja konnte nicht verstehen, warum die meisten Menschen das über sich ergehen lassen bis sie sterben und begann zu protestieren. Mit einem öffentlichen Hungerstreik begann sie für die Rechte der Gefangenen zu kämpfen. Mit Erfolg! Und auch nach der Freilassung hat sie eine kleine NGO gegründet und macht damit weiter. Einige wirklich schwer kranke Menschen konnten sogar dank ihrer Hilfe freikommen. Ein neuer Gesetzesentwurf ist in Arbeit, der den Gefängniswärtern die Freiheit gewährt willkürlich zu bestrafen, ohne sich strafbar zu machen. Auch gegen diesen kämpft die Pussy Riot Sängerin.

„Willst du etwas verändern, dann beweg dich!“

Egal in welcher Gesellschaft du lebst, nichts wird dir auf dem Silbertablett gegeben werden, es herrscht die Zeit der „Selbstbedienung“.  Du musst dich bewegen und für das anstrengen was für dich wichtig ist. Nadja gibt zu, am liebsten sitze auch sie zu Hause in ihrer Comfortzone. Doch wenn du ein Ziel hast. Zum Beispiel das Ziel die Welt zum Besseren zu verändern, dann musst du Gemütlichkeit überwinden und rausgehen, aktiv werden, so Nadja.

Nadja ist ein lebendes Beispiel dafür. Sie kämpft für eine bessere Welt. Doch kann man die Welt überhaupt verändern?

Die sanfte (weibliche) Art der Veränderungen

„Der erste Schritt jemanden zu verändern, ist ihn zu verstehen“, ein Satz der tief reingeht. Vor der Zeit im Gefängnis, sagt sie war nicht die Bereitschaft dazu da sich für das Andersartige überhaupt zu öffnen, mit jemanden der Putin wählt überhaupt zu sprechen. Doch genau das ist wichtig, um wirklich nachhaltige Veränderung in jemanden zu bewirken. Und Nadeschda versucht eine Revolution, die nicht auf Kampf und gewaltvolle Überzeugung gründet, sondern auf die sanfte, weibliche Art der Veränderung. Es hat keinen Sinn mit harter Diskussion jemanden bloß auf seine Seite ziehen, denn das ist keine nachhaltige Veränderung. Nadja erklärt lieber einfach ihre Sicht der Dinge, spricht von ihren Erfahrungen. Der Klang der Stimme ist ruhig und besonnen. Keinerlei Hass, auch wenn sie über Putin spricht. „Man braucht Geduld und viel Zeit“, sagt sie als ich nach der Lesung noch mal persönlich nachhacke „Manchmal kann das sogar Jahre dauern. Aber selbst, wenn nur einer oder zwei sich für etwas Gutes öffnen, hat man schon viel gewonnen

 

Was denkst du, an welcher Stelle bräuchten wir in Deutschland auch eine Revolution?

Kategorie Frauen

Ich liebe Avokadobrot, ausschlafen, Jasmintee, die Sonne und das Meer. Seit ungefähr 7 Jahren beschäftige ich mich neben meiner freiberuflichen Tätigkeit als Autorin und Filmemacherin, auch mit Meditation, Energie und Yoga. Außerdem schreibe ich gerade an meinem ersten Roman "yoga-diary - 154 Tagen um die Welt" und freue mich darauf, wenn ich diesen hier vorstellen kann!